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Mama McCool und ihre Regenbogenfamilie auf Instagram

Lesbe beim Frauenarzt

Aktualisiert: 25. Juni 2018



Als Nikki und ich den Gedanken, ein Baby zu bekommen, gefestigt hatten, hielt ich es für eine gute Idee, den Aufenthaltsraum meines künftigen Kindes mal ordentlich durchchecken zu lassen. Also ging ich zur Frauenärztin. Ich muss zugeben, dass ich ein echter Arztbesuch-Muffel bin (Schande über mein Haupt ... es ist doch so wichtig) und ich die üblichen Routine-Kontrollen gerne mal "vergesse". Ich gelobte mir selber (und Nikki, die das gar nicht cool findet) Besserung und suchte mir für diesen gynäkologischen Neustart auch eine neue Frauenärztin bei uns in der Gegend. Mein alter Frauenarzt hätte sich ohnehin nicht mehr an mich erinnern können ...


Die Ärztin war Mitte 40, gutaussehend, sympathisch. Da macht der Arztbesuch ja doch noch Spaß, dachte ich. Im Erstgespräch stellte sie mir einige Fragen zu Vorerkrankungen, Allergien und Verhütung.


"Ich verhüte nicht."


Sie schaute entsetzt auf.


"Haben Sie denn gar keinen Sex?"


Ziemlich direkte Frage, dachte ich.


"Oooh doch," antwortete ich. "Aber ich bin mit einer Frau zusammen."


Sie legte die Akte nieder, richtete sich auf und sah mich mit großen Augen an.


"Frau McCool ..."


"Äh. Ja?"


"Ich finde das ganz, ganz toll, dass Sie das so sagen."


"Was soll ich denn sonst sagen?! Was sagen denn Ihre anderen lesbischen Patientinnen?"


"Ich habe hier keine anderen Lesben. Sie sind meine erste."


Kurze wartete ich, ob goldenes Konfetti auf mich herabfallen und die Arzthelferinnen mit einem dicken Blumenstrauß zu meiner Huldigung herein gerannt kamen. Aber nichts geschah. Also sagte ich:


"Sie haben Ihre Praxis hier seit neun Jahren und denken, dass nie eine Lesbe hier war?"


"Das DENKE ich nicht nur, das WEISS ich."


Nun entgleiste das Gespräch etwas: Ich versuchte ihr zu erklären, dass auch Lesben zu Frauenärzten gehen, weil auch Lesben ganz tolle Vaginas haben. Und dass in etwa jede zehnte Frau lesbisch sein könnte und wir gerne mal im Wartezimmer gemeinsam durchzählen und dann die Wahrscheinlichkeit der "Keine-Lesbe-in-der-Praxis-Theorie" ausrechnen könnten.


Sie wollte mich aber doch lieber fragen, wie meine Eltern es finden, dass ich lesbisch bin. Diese Frage finde ich so überflüssig – zumal ich erwachsen bin. Lieber würde ich gefragt werden, wie ICH es finde, lesbisch zu sein. Total toll nämlich.


Zurück zum Grund meines Besuchs: Als ich berichtete, dass wir planen, ein Baby zu bekommen, entglitten ihr alle Gesichtszüge. Als wäre ihr ganzes Studium für die Katz gewesen. Da lernt die Arme Semester für Semester alles über den weiblichen Körper und die Befruchtung durch einen männlichen Geschlechtspartner und dann kommen einfach diese Lesben und machen das irgendwie selber.


Sie ließ sich von mir erklären, welche Möglichkeiten es für mich und meine Partnerin gab, denn sie selbst kannte sich nicht aus.


Dann schätzte sie noch mein Gewicht (damals dachte ich, ihre Waage sei kaputt, später merkte ich, dass es keine gab) und untersuchte mich. Alles paletti! Ich konnte gehen.


Drei Monate später:


Vor wenigen Tagen hatten zwei kleine rote Streifen mein Leben verändert. Direkt nach dem ersten Befruchtungsversuch sagte mein dm-Schwangerschaftstest mir, dass ich schwanger war. Nun saß ich wieder in dieser Praxis – mit einem breiten Grinsen im Gesicht und ganz viel Vorfreude und einem winzigen Mini-Menschen im Bauch.


Die Arzthelferin testete mein Blut und schätzte mein Gewicht. Ihre Schätzung stimmte übrigens in etwa mit der ihrer Chefin überein. Im Gewichtschätzen von Frauen waren die beiden echt gut. Trotzdem wäre eine Waage irgendwie professioneller ...


Als die Ärztin den Raum betrat, studierte sie noch meine Akte und sprach gleichzeitig mit mir. Gratulierte mir zum positiven Test und erläuterte etwas zu den bevorstehenden Untersuchungen. Irgendwann sah sie zum ersten Mal von ihrem Papierkram auf und mich an. Jetzt wurde es witzig:


Sie erschrak und machte vor Entsetzen ein Geräusch wie ein verstopfter Staubsauger, ließ die Akte auf den Tisch fallen, zeigte mit ausgestrecktem Arm direkt auf mich und schrie: " SIE SIND DOCH DIE FRAU MIT DER FRAU!"


Jap, das war ich. Die angeblich einzige Lesbe der Stadt, die zu einer Gynäkologin geht, war wieder da! Und zwar richtig schön schwanger – ganz ohne Mann. Tschacka!


Völlig ungläubig ließ meine Ärztin sich schildern, wie ich schwanger geworden war. Während ich erzählte, lauschte sie angestrengt und nickte immer wieder leicht mit dem Kopf. Am Ende sagte sie: "Joa, das könnte funktionieren ..." Scharfsinnig!


In den folgenden Wochen und Monaten ereigneten sich in der Praxis noch einige Anekdoten. Einige waren ganz witzig! So musste ich mehr als einmal um mein geschätztes Gewicht "verhandeln", weil ich es nicht für korrekt hielt. Einmal war ich auch live dabei, als die Ärztin wütend mit einer Hand auf das defekte Ultraschallgerät einschlug (zu meinem Leidwesen hielt sie in der anderen Hand noch diesen Vaginal-Scan-Stab, der wiederum in mir steckte ... AUTSCH).


Doch leider gab es auch viele Szenen, die mich richtig wütend machten: Bei einer Untersuchung berichtete sie mir, dass sie jetzt wüsste, wer der Vater meines Kindes sei. In der BILD hatte sie nämlich von einem Niederländer gelesen, der schon 67 Frauen per Bechermethode geschwängert hatte. Sie war richtig enttäuscht, als ich ihr sagte, dass dieser Potenzprotz nicht unser Spender war.


Einer der aufregendsten Momente während der Schwangerschaft ist sicher die Bestimmung des Geschlechts. Hier machte sie mir unverblümt klar, dass ein lesbisches Paar besser keinen Jungen, sonder ein Mädchen aufziehen sollte.


Zur "Ehe für alle" meinte sie, die Politiker sollten sich lieber um wichtige Themen kümmern.


Und so weiter und so fort ...


Gerne wollte ich etwas Aufklärungsarbeit leisten. Versuchte, ihr meine Sicht der Dinge näher zu bringen. Erläuterte politische Prozesse und Entwicklungen rund ums Thema Regenbogenfamilie. Ich bestellte ihr sogar eine Broschüre. Warum? Weil ich schwanger war und merkte, wie wichtig eine einfühlsame und professionelle Beratung durch die betreuenden Ärzte ist. Für den Fall, dass sich doch noch mal eine Lesbe in ihre Praxis verirrt, hätte ich gerne ein wenig Sensibilisierungsarbeit leisten wollen. Denn wer schwanger ist, möchte sich aufs Baby freuen und sich dafür nicht rechtfertigen müssen. Ich wollte sozusagen die Super-Lesbe mit dickem Bauch sein, die den Weg für die anderen dicken Lesben nach ihr ebnet.



In der 32. Woche habe ich in eine andere Praxis gewechselt. Irgendwann gab es einen kleinen Homophobie-Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.


Mein neuer Gynäkologe war super und half uns zwei Jahre später auch bei der zweiten Schwangerschaft.


Meine Erfahrungen mit der Ärztin ohne Waage zeigt aber deutlich, dass selbst in so wichtigen Berufen Homosexualität und Regenbogenfamilien als absolut exotisch empfunden werden. Das finde ich ganz schrecklich! Gerade in dieser wundervoll-magischen Zeit der Schwangerschaft (das ständige Pupsen und Kotzen klammer ich mal aus – das ist nicht so magisch) ist es doch wichtig, sich sicher zu fühlen: zu Hause, bei der Familie und eben auch bei meinem Arzt. Natürlich wäre es super, wenn es spezielle Fortbildungen, Info-Material und so weiter für Gynäkologen gäbe, doch aus meiner Sicht gibt es da etwas, das vielleicht noch wichtiger ist: Sichtbarkeit.


Meine Ärztin war allen Ernstes der festen Überzeugung, dass sie in ihrer ganzen Berufslaufbahn noch nie eine Lesbe behandelt hätte. Das kann nicht sein! Ich frage mich, was diese als Heten getarnten Lesben auf ihre Standard-Frage mit der Verhütung antworten. Wahrscheinlich stammeln sie eine Weile verlegen herum, bis die Ärztin die Verhütungsmethode schätzt – beim Gewicht klappt´s ja auch.

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