Mit dem Begriff Co-Mutter beschäftigte ich mich erst, als ich selbst eine wurde. Da ich die leibliche Mutter unseres ersten Kindes bin, genoss ich jahrelang den königinnenhaften Status der "richtigen" Mama. Die Vorsilbe Co haben wir schon damals nie verwendet: Wir waren Mama und Mami – so einfach wie es klingt, schien es für mich auch zu sein.
Als unsere Große zweieinhalb war, brachte meine Frau unseren Sohn zur Welt. Und ohne es zu merken war ich Co-Mutter. Ohne es zu merken? Wie kann man das nicht merken? Hat Frau McCool in Bio nicht aufgepasst? Nein, sie hat nicht aufgepasst. Elite-Gymnasium hin oder her – mein Bio-Unterricht war eine Katastrophe. Unwichtig.
Natürlich war ich mir im Klaren darüber, dass mein Sohn nicht genetisch mit mir verwandt war und dass ich das unwürdige Verfahren der Stiefkindadoption diesmal in der Rolle der sogenannten Annehmenden erdulden musste. Aber: Das war mir egal. Schon neun Monate vor seiner Geburt liebte ich meinen Sohn über alles. Ich war bei seiner Zeugung dabei und spielte dort immerhin die drittwichtigste Rolle (von dreien), hielt in der Schwangerschaft meiner Frau beim Kotzen die Haare aus dem Gesicht, stopfte sie mit Folsäure voll und war die Erste, die sein hübsches Babygesicht im Kreißsaal sah.
Dass ich als nicht leibliche Mutter anders wahrgenommen und bewertet wurde, merkte ich erst nach und nach.
Zwei Zitate:
„Find ich ja voll toll, dass du Elternzeit nimmst, obwohl er nicht dein richtiger Sohn ist.“ – etwas zu ehrliche Mama in einer Spielgruppe.
„Wir schauen erst mal ein halbes Jahr, ob Sie überhaupt eine Beziehung zu dem Kind aufbauen.“ – weltfremder Sachbearbeiter beim Jugendamt.
Ihr seht, von den Einen wurde ich gefeiert, als hätte ich ein fremdes Baby in einem Weidenkorb vor meiner Haustür gefunden und ziehe es nun groß wie mein eigenes. Von den Anderen bekam ich deutlich zu spüren, dass sie mich für genau das hielten, was ich laut Duden auch war: eine Co-Mutter.
Wer auch immer sich diesen Begriff ausgedacht hat, hat meiner Meinung nach ganz tief ins Klo der deutschen Wortschöpfungen gegriffen.
Durch perfekten und skrupellosen Betrug habe ich irgendwann mal mein Latinum gemacht und weiß, dass an dem Präfix Co eigentlich nichts Verwerfliches zu finden ist: Es bedeutet "zusammen", "miteinander", "gemeinsam". Demnach wäre ich also eine Mutter, die gemeinsam (mit der Chef-Mutter) ein Kind hat. Im täglichen Sprachgebrauch würde man Co-Mutter aber wohl eher mit Ersatz-Mutti, Notfall-Mom oder Mama zweiter Klasse gleichsetzen.
Würdet ihr in ein Flugzeug einsteigen, in dem nur der Co-Pilot am Steuer sitzt? Ich nicht.
Naja, heterosexuelle Väter haben´s in dieser Hinsicht auch nicht viel leichter. Neben vielen Wochenende-Daddys kenne ich auch richtig tolle Papas, die in ihrer Rolle total glücklich sind und sich nicht genieren, ihre Liebe zu ihren Kindern allen zu zeigen. Die Kommentare älterer Damen auf dem Spielplatz, die den Papas erklären wollen, warum ihr Kind gerade weint und dass er es besser zu Mama bringen solle, finde ich so daneben, dass ich vor Entsetzen jedes Mal Eimer und Förmchen fallen lasse.
Aber zumindest haben diese Super-Dads an Sex-Appeal gewonnen. Schon mal von nem DILF gehört? Ist wie ne MILF, aber mit Boygroup-Charakter und ohne Porno.
Ich finde, ich bin keine Co-Mama. Als Beleg führe ich zahllose schlaflose Nächte mit meinem Sohn, endlose Brustmassagen bis die Relaktation endlich in Gang kam, echt lange Elternzeit und meine bedingungslose Liebe und Fürsorge für diese kleine, blonde, blauäugige Person an.
So nehme ich mir die Freiheit und steige eigenständig eine Stufe auf dem Mama-Siegertreppchen empor. Und meine Frau nehme ich gleich mit. Denn genau so sehen wir uns: ganz weit oben, Arm in Arm, völlig übermüdet, in den Haaren noch der Sand vom Spielplatz, aber ein breites, stolzes Grinsen im Gesicht. Wir sind Mama und Mami. Nicht mehr, aber weniger eben auch nicht.
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